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Das Kind, das aus dem Rahmen fällt – eine Veranstaltung der Heinz und Heide Dürr Stiftung mit Klaus Kokemoor

Schnell war klar, dieser Vortrag wird anders werden. Von Anfang an hat Klaus Kokemoor das Publikum mit seiner klaren und feinfühligen Art abgeholt und aktiv einbezogen. Die erste Frage, die ihn vor dem Publikum beschäftigte war, ob er seinen Vortrag unten, also vor der Bühne, oder oben auf der Bühne halten würde. Er hat sich dafür entschieden unten, also direkt vor dem Publikum zu stehen. Schon da wurde deutlich, dass Klaus Kokemoor den Dialog mit seinem Publikum sucht.

Klaus Kokemoor hat es geschafft, durch seine vielen Filmbeispiele und den Beispielen aus seiner Praxis als Berater für Kindertageseinrichtungen in Hannover, die volle Aufmerksamkeit des Publikums zu bekommen. Schon bald konnte man als Zuhörer*in ahnen, dass es nicht um die Kinder geht, „die aus dem Rahmen fallen“ – auch wenn wir uns viele Videos von Kindern angeschaut haben. Der Fokus waren die verschiedenen Rahmen, in denen Kinder bestehen müssen. Vom Rahmen der pädagogischen Begleitung über den konzeptionellen Rahmen, den systemischen Rahmen zum formellen Rahmen. Die Schwerpunkte waren im Besonderen der Rahmen der pädagogischen Begleitung und der konzeptionelle Rahmen. Eben die Rahmen, an denen die Pädagogischen Fachkräfte für die Kinder in der Praxis etwas verändern können. Denn „wenn du willst, dass das Kind sich verändert, musst du dich verändern“ (Kokemoor).

Klaus Kokemoor hat deutlich gemacht, wie wichtig es ist, dass wir mit Kindern im Hier und Jetzt, also wirklich präsent sind (Das Präsens ist übrigens eine grammatikalische Zeitform, die die Gegenwart beschreibt). Er berichtete von einem Beratungssetting, bei dem die pädagogischen Fachkräfte die Aufgabe bekamen, dem Kind, über das gesprochen wurde, 3-6 mal am Tag, 2-3 Minuten Aufmerksamkeit zu schenken. „Denn Aufmerksamkeit kommt von Aufmerksamkeit“. Es geht darum, Kinder, und hier ganz besonders die, die uns immer wieder an unsere Grenzen bringen, immer wieder einzuladen. Einladen in eigene Spielhandlungen, aber auch einladen in den Kontakt mit anderen Kindern. Kinder sollen ein Gefühl für sich selbst bekommen, ein Gefühl für die Welt der Gemeinschaft, des Miteinanders sowie für die Welt der Dinge.

Das Beispiel mit der Aufmerksamkeit hat mir gezeigt, wie wichtig es ist ganz genau darüber zu sprechen, was wir Erwachsenen tun können, um Kinder in ihrem aktuellen Entwicklungsthema möglichst passgenau, achtsam und feinfühlig zu begleiten. Ich höre oft, ‚das Kind braucht mehr Aufmerksamkeit‘ und ‚wir haben aber noch so viele andere Kinder, wie sollen wir das leisten? ‘ Hier können konkrete Zahlen, wie sie uns Klaus Kokemoor mitgebracht hat, manchmal sehr hilfreich sein: 3-6 mal am Tag, 2-3 Minuten ist eine ganz konkrete Aufgabe, die bewältigbar ist. Und die Ergebnisse sind erstaunlich und motivierend.

Klaus Kokemoor hat an vielen Stellen deutlich gezeigt, wie wichtig es außerdem ist, die Eltern in Beratungssettings gut mitzunehmen. Ganz nach dem Grundsatz von Early Excellence, Eltern als erste Experten anzuerkennen und aktiv einzubeziehen. Ganz besonders in den Situationen, in denen das Kind uns Erwachsene durch sein Verhalten herausfordert. Er hat gezeigt, welche Wirkung es hat, wenn Eltern gute Bilder von ihren Kindern sehen dürfen. Wenn wir Pädagoginnen mit Eltern darüber ins Gespräch kommen, was das Kind beschäftigt, mit was sich das Kind gerade auseinandersetzt, anstatt auf das aufmerksam zu machen, was im Alltag nicht funktioniert. 

Klaus Kokemoor beherrscht die hohe Kunst, die Filme an der richtigen Stelle zu stoppen. Immer wieder ging ein Raunen, gingen ‚Ahhs‘ und ‚Ohhs‘ durch das Publikum. Diese Form des Vortrags – veranschaulicht durch Filmbespiele – hat es geschafft, in drei Stunden ganz konkret auf der Handlungsebene zu landen und viele innerliche Bilder zu erzeugen. Klaus Kokemoor hat zwei Grundsätze von Early Excellence besonders deutlich gemacht: Die positive Grundeinstellung allen Beteiligten gegenüber und eine dezidierte Ressourcenorientierung. Er hat uns mit seinem geschulten Blick Möglichkeitsräume aufgezeigt und wie wenig es manchmal braucht – wenn man das Richtige tut – um große Wirkung zu erzielen. „Manchmal ist einfach alles gut“. Danke Klaus!

Anna Rau, Fachberaterin, Süden, Heinz und Heide Dürr Stiftung

Bild: Unsplash